Welche Bezeichnung »trifft« es genauer?

Im Zuge intensiver Beratungspraxis für ADHS-Betroffene treten die Kernaspekte sehr deutlich zutage, was vielleicht einen kleinen mutigen Sidestep erlaubt:

Als Experten von KONZENTRUM erlauben wir uns, die Begrifflichkeit AHDS ein wenig zu hinterfragen, und mutig sogar als »möglicherweise ein wenig verfehlt« zu bezeichnen. An vielen Dingen kann man nämlich festmachen, dass Kinder mit ADHS in Wirklichkeit nicht immer ein signifikantes Problem mit ihrer bloßen Aufmerksamkeit haben (besonders wenn sie etwas stark interessiert und kognitiv vereinnahmt),  sondern viel mehr mit ihrer Wahrnehmung. Die Wahrnehmung der Welt um einen Betroffenen herum ist eine andere (siehe hier).

Wir würden deshalb eher für die Bezeichnung W. D. H. S. (»Wahrnehmungs-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom«) plädieren. Doch da wir international gültige Bezeichnungen weder ändern können, noch dies wollen, sei hierzu in unserem Forum jede mögliche Diskussion angeregt.

Fallbeispiel: »Zahlenwunder«

Der 10-jährige Daniel wird im Zuge einer mehrstufigen Diagnostik auch zu einem ganz bestimmten Test gebeten, der die Dauer seiner Aufmerksamkeit bzw. seine Konzentrationsfähigkeit unter Belastung aufzeigen soll. Es ist ein sehr einfacher Test: Der so genannte ZVT oder Zahlen-Verbindungs-Test.

Und so sieht er in etwa aus…

In nur 45 Sekunden muss der quirlige Bub so viele Zahlen als möglich in aufsteigender Reihenfolge miteinander verbinden. Als Daniel, bei dem ADHS eigentlich schon länger zuvor zweifelsfrei diagnostiziert worden ist, seinen Test beendet hat, schaut er grinsend in das überaus verblüffte Gesicht seiner Ärztin.

Solch eine hohe Leistung hat Frau Dr. Hanke schon lange nicht mehr gesehen. Daniels Aufmerksamkeitsspanne liegt nicht in dem Bereich, den die meisten »normalen« Menschen hinbekommen: bei etwa 80-90 %. Nein! Daniel hat einen Wert von 128 % aufs Papier gebracht! Mehr als außergewöhnlich, besonders für einen ADHS-Betroffenen.

Nach einem kurzen Gespräch ist rasch geklärt, woher diese außergewöhnliche Leistung kommt: Daniel war schon immer fasziniert von Zahlen und liebt solche Tests ganz allgemein. Er war also von der Aufgabe so richtig gefesselt.

Daniel ist ganz sicher von ADHS betroffen! Soviel wissen wir bereits. Doch sieht das alles bei ihm nach einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne aus?

Wenn man allerdings mit Daniel ein wenig länger zu tun hat, spürt man bald ganz genau: Er weilt immer auf seinem ganz eigenen, offenbar zeitweise nur ihm allein bekannten Planeten!

Wahrnehmungs-Defizit anstatt Aufmerksamkeitsdefizit!

Zumindest bei diesem kleinen Zappelphilipp.

Der Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT) ist ein so genannter »sprachfreier Intelligenztest«, der die kognitive Leistungsgeschwindigkeit bestimmen kann, die vielen anderen Intelligenzleistungen zugrunde liegt. In der Literatur wird die »Bearbeitungsgeschwindigkeit« als »fluide Intelligenz« oder »perceptual speed« bezeichnet. Der ZVT, der 1987 von Oswald und Roth entwickelt wurde, ist auch dazu geeignet, genetisch vorgegebene Leistungsunterschiede sowie Aufmerksamkeits-Defizite bei einem breiten Spektrum von Altersstufen zu messen.